Das Piano mit dem Sheriffstern

Sie hören die Aufnahme eines Pianos von dem Klavierbauer Erwin Müller-Schiedmayer aus Würburg. Er baute von 1874 bis 1947 Klaviere und Flügel. Unser Piano stammt laut Seriennummer aus der Zeit um 1900. Ein gutes altes Instrument, nachhaltig gebaut, mit technischen Schwächen in der Spielart.

Die Verstimmung ist normal. Doch schon in der ersten Aufnahme hört man, dass die Klavierhämmer ohne die Kontrolle des Klavierspielers beliebig oft gegen die Saiten trommeln. So nennt man das Phänomen, wenn der Klavierhammer nach dem Anschlagen der Saiten nicht sofort im so genannten Fänger ruhig gestellt wird. Das ist meistens auf eine fehlerhafte Regulierung des Spielwerks zurückzuführen und somit abstellbar. In der dritten Aufnahme werden Sie das Trommeln aber immer noch vernehmen. Was ist der Grund? Die Ursache ist eine falsch eingesetzte Klaviermechanik. Bewegt man den Hammer langsam auf die Saite zu, um den Auslösepunkt zu ermitteln, so kann man beobachten, wie der Hammer ungefähr nach dem halben Hammerweg wie von Zauberhand von der den Hammer führenden Stoßzunge abhebt, beschleunigt und dann an den Saiten liegend zur Ruhe kommt. Hier sind die Winkel der Mechanik ganz offensichtlich nicht passend zur Schwerkraft positioniert. Ein derartiger Werksfehler lässt sich nur mit einem höheren Aufwand beheben. Wohl aus diesem Grund hat er über 100 Jahre überstanden...

Müller-Schiedmayer verstimmt

Nach dem Stimmen erfolgt das Probespielen. Als Klavierstimmer setzt man sich entspannt ans Klavier, um nun die gute Stimmung sowie den Wohlklang des Pianos zu genießen. Doch plötzlich hört man ein Nebengeräusch. Man richtet seine Wahrnehmung darauf aus - und will es doch gleichzeitig verdrängen. Das kann ja gar nicht sein. Vor dem Stimmen war kein Nebengeräusch zu hören - bzw. man hat es aufgrund der Verstimmung und den ächzenden Nebengeräuschen des Pedals nicht wahrgenommen. Beim Stimmen ist nichts aufgefallen. Woher soll also plötzlich diese akustische Störung kommen? Es scheint ein Rätsel zu sein. Aber es lässt sich nicht verdrängen. Daher schlussfolgert der Klavierstimmer: Da muss ein kleiner Teufel im Klavier sitzen, der dieses hässliche Rasseln erzeugt.

Nebengeräusche im Klavier zu suchen, ist eine eigenständige Disziplin im Klavierservice. Nicht immer wird das Suchen durch ein Finden belohnt. Und selbst wenn man die Ursache findet, ist diese nicht immer abzustellen. Als der hier zuständige Klavierstimmer begebe ich mich auf die Reise in die Untiefen des Klaviers und befördere Kleinteile zu Tage. War es das schon? Ein erster Test bestätigt zwar den Trend, aber das komplexe Nebengeräusch ist nur etwas weniger komplex geworden. Also setze ich die Suche fort. Nach einer Zeit taucht meine in Siegerpose nach oben gestreckte Hand aus dem Klavier auf. In ihr halte ich einen Sheriffstern nach oben. Das war er, der Bösewicht, der am Resonanzboden liegend für das Rasseln verantwortlich war!

Achtung Nebengeräusch!

Es folgt die Wiederholung des Probespielens und die Entspannung ist nun umso größer. Denn jetzt kann man nicht nur die gute Stimmung und den Wohlklang sondern darüber hinaus die verdiente Störungsfreiheit des Klavierspiels genießen:

Müller-Schiedmayer störungsfrei
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